Phänomenologische Wahrnehmung

Die phänomenologische Wahrnehmung ist ein grundlegendes Konzept in der systemischen Aufstellungsarbeit, das dazu dient, tiefe Einblicke in verborgene Dynamiken von sozialen Systemen zu gewinnen. 

Offenes, unvoreingenommenes Wahrnehmen

Sie basiert auf einem unvoreingenommenen und offenen Wahrnehmen von Phänomenen, d.h. Erscheinungen. Was damit gemeint ist, macht Bert Hellinger deutlich, indem er diesem Zugang zur Wirklichkeit den uns im Westen geläufigen und vornehmlich genutzten gegenüber stellt: 

Der uns von Schulbeginn an vermittelte Zugang zur Wirklichkeit ist ein primär kognitiver, wissenschaftlich-analytischer Zugang. Er funktioniert ganz anders als der phänomenologische. 

Wissenschaftlicher vs. phänomenologischer Zugang zur Wirklichkeit

Den Unterschied dieser zwei Zugangsweisen zur Wirklichkeit kann man sich anhand der Betrachtung einer Landschaft deutlich machen: Der wissenschaftliche fokussiert auf Details, unterscheidet sie von den anderen Elementen im Bild und zergliedert sie begrifflich.

Der phänomenologische Zugang braucht einen weiten Fokus. So nimmt er die Landschaft als ganze in den Blick. Er lässt uns damit z.B. die Atmosphäre und Stimmung erfassen, die Wirkung des gesamten Phänomens. Es ist somit ein ganzheitlicher Erkenntnisvorgang, der von unserem körperlich-sinnliches Erleben ausgeht und dann zu einem eher intuitiven Musterkerkennen führt.

Sich öffnen und zurücknehmen statt fokussieren

Dazu ist es notwendig, statt etwas im Bild (be-)greifen zu wollen, in dieser ausgreifenden Bewegung innezuhalten und sich vom gesamten Phänomen ergreifen zu lassen. Statt zu analysieren, spürt man die Wirkung der Landschaft.

Diese Art der Wahrnehmung erfordert zunächst das, was in der Tradition der philosophischen Phänomenologie Epoché, Urteilsenthaltsamkeit, genannt wird. Statt ein Phänomen auf der Basis von Theorien und Konzepten zu analysieren, erfasst man es über die körperliche-sinnliche Wahrnehmung.

Anwendung in Aufstellungen

Als Leitung von Aufstellungen hilft es, z.B. sich außerhalb der Aufstellung zu stellen und das System von außen auf sich wirken zu lassen, um solch einen ganzheitlichen Blick auf das Aufstellungsbild zu erhalten.

Zentral ist es auch, entspannt zu bleiben und sich nicht in Dynamiken hineinziehen zu lassen, sondern gut mit sich und seiner (Körper-)wahrnehmung verbunden zu bleiben.