Was sind Ordnungen von Systemen?
Ordnungen sind ein grundlegendes Konzept in der systemischen Aufstellungsarbeit, das sich auf Strukturen und Prinzipien in sozialen Systemen bezieht. Ordnungen beeinflussen die Art und Weise, wie Mitglieder innerhalb eines Systems in Beziehung stehen.
Sie basieren auf Beboachtungen von Bert Hellinger und nachfolgenden AufstellerInnen, dass Systeme dann stabil sind und wachsen können, wenn basale Ordnungsprinzipien eingehalten sind. Sind sie verletzt, erhöht diese Unordnung die Wahrscheinlichkeit, dass in den Systemen problematische Dynamiken entstehen.
Gültigkeit von Ordnungen – “Naturgesetze” oder Heuristiken?
Hellinger glaubte, die Ordnungen wären so etwas wie Naturgesetze von Systemen. Systemisch-konstruktivistische AufstellerInnen, wie z.B. der Ansatz der Systemischen Strukturaufstellungen, sehen die Ordnungen dagegen als Heuristiken an, die Hinweise geben, was in einem konkreten System hilfreich sein könnte. Dies muss aber dann für jeden einzelnen Fall überprüft werden.
Vordrängeln bei der Essensausgabe – ein Beispiel
Dass wir Menschen auf Unordnung in Systemen empfindlich reagieren zeigt ein alltägliches Beispiel: Eine Menschenschlange vor einem Essensausgabe. Hier gilt die Ordnung der Reihenfolge: “Fist come, fist serve!” Diejenigen, welche zuerst kamen, haben Vorrang vor den Späteren. Wird diese Reihenfolge von einem “Vordrängler” nicht berücksichtigt, so entsteht Unmut und Konflikt in der Gruppe.
Die wichtigsten Ordnungen
Für Familiensysteme hat Bert Hellinger unter dem Begriff “Ordnungen der Liebe” Ordnungsprinzipien beschrieben. Für Organisationen wurden diese entsprechend abgewandelt als “Ordnungen der Macht” unter anderem von Guthard Weber beschrieben.
1. Zugehörigkeit – Gleiches Recht
Die grundlegendste Ordnung betrifft die Zugehörigkeit. Für soziale Systeme, wie auch für die Einzelnen in ihnen ist es überlebenswichtig, dass eindeutig geregelt ist, wer dazugehört und wer nicht. Die Zugehörigkeit hat Einfluss darauf, wie sich Menschen innerhalb eines Systems fühlen und wie stark sie sich mit diesem verbunden erleben.
In Familiensystemen erwirbt man die Zugehörigkeit durch Geburt oder durch eine tiefe Bindung (Liebe, Heirat, Elternschaft). Jedes Familienmitglied hat dabei das gleiche Recht auf Zugehörigkeit und kann dieses auch nicht verlieren, gleich was es anstellt.
2. Hierarchie – Vorrang der Früheren
Eine weitere Ordnungen ist die der Hierarchie. Dabei haben die Früheren Vorrang vor denen, die später kommen. Wird dieser von den Beteiligten gewürdigt, was sich in systemischen Aufstellungen unter Anderem auch durch die Anordnung der StellvertreterInnen (rechts ist der vorrangige Platz) zeigt, ist das System diesbezüglich in einer guten Ordnung.
In Familiensystemen beispielsweise gibt es eine natürliche Ordnung zwischen den Generationen: Die Eltern kommen vor den Kindern und sollten von diesen gewürdigt werden. Aber auch die Kinder haben eine Reihenfolge nach ihrer Geburt: Das Älteste kommt vor den nachfolgenden Kindern. Die Beachtung dieser Hierarchie kann dazu beitragen, dass das System stabil und ausgeglichen funktioniert und jeder einen guten, stärkenden Platz im System hat.
Auch in Organisationen gibt es diese natürliche Hierarchie, aber sie vermischt sich mit dem Prinzip des Vorrangs der Leistung für das Gesamtsystem.
3. Ausgleich von Geben und Nehmen
Der Ausgleich von Geben und Nehmen ist ein weiteres zentrales Ordnungsprinzip in Systemen. In Beziehungen kann man von einer Art Beziehungskonten sprechen, die wir innerlich führen. Ist der Einsatz eines Beziehungspartners für das System, z.B. die Familie oder auch die Partnerschaft dauerhaft größer oder geringer als der des anderen, so kommt es zu Spannungen und Gefühlen von Abhängigkeit und Schuld.
Um gesunde Beziehungen aufrechtzuerherhalten ist dementsprechend ein Gleichgewicht von Geben und Nehmen erforderlich.
Anwendung in der Aufstellungsarbeit
Während einer Aufstellung werden Stellvertreter oder Repräsentanten entsprechend diesen Ordnungen im Raum positioniert. Durch die Beobachtung der räumlichen Anordnung können Muster, Konflikte oder Blockaden erkannt werden. Auch Sätze und rituelle Handlungen dienen dazu, die Ordnungen zu würdigen bzw. das System “wieder in Ordnung” zu bringen. Ein klassischer Satz, der z.B. die Hierarchie ausdrückt ist der Satz: “Ich bin der Kleine und du bist der Große!”
„Ordnungen“ sind somit essentiell für das Verständnis der Struktur und Dynamik sozialer Systeme in der Systemischen Aufstellungsarbeit. Die bewusste Auseinandersetzung mit diesen Ordnungen ermöglicht es, positive Veränderungen herbeizuführen und das System in ein ausgewogenes Gleichgewicht zu bringen.