Damit Sie sich ein besseres Bild machen können, welche Themen zu welchen Lösungen durch die Aufstellungsarbeit führen können, stelle ich hier ein Fallbeispiel dar.
Namen und konkrete Informationen über die FallgeberInnen sind selbstverständlich geändert.
Ich kann mich nicht entscheiden:
Was soll ich beruflich in meinem Leben machen?
Auftragsklärung
Frau K. kommt mit dem Anliegen zu mir, mehr Klarheit über ihre berufliche Zukunft zu erlangen. Sie schwankt zwischen zwei Richtungen, einem Designstudium und einem Medizinstudium.
Zu ihrer Herkunftsfamilie befragt, erzählt sie, dass sie Einzelkind ist und sich ihre Eltern getrennt haben, als sie elf Jahre alt war. Sie pendelte dann zwischen Vater und Mutter hin und her, eine Woche beim Vater, eine bei der Mutter. Später wohnte sie hauptsächlich bei der Mutter und hatte nur noch ab und an an den Wochenenden Kontakt zum Vater. Ihr Vater selbst war Arzt, ihre Mutter Lehrerin.
Frau K. möchte nun die zwei Entscheidungsmöglichkeiten aufstellen und verstehen, was sie davon abhält, sich für eine der beiden zu entscheiden und sie möchte nachspüren, welche Entscheidung für sie stimmiger ist.
Ausgangsbild
Ich komme dem Wunsch nach und lasse Frau K. zunächst nur drei Repräsentanten aufstellen, eine für sie selbst, eine für ein Designstudium und eine für ein Medizinstudium.
Frau K. stellt diese wie in einem Dreieck angeordnet auf, dabei sind die beiden Studienwünsche soweit voneinander entfernt, dass Frau K.s Repräsentantin nur entweder zu dem einen oder dem anderen blicken kann.
Die Repräsentantin für Frau K. schwankt nach kurzer Zeit leicht, aber sichtbar hin und her. Passend dazu berichtet sie, dass sie sich innerlich hin- und hergerissen fühlt. Mal blickt sie mehr zum Designstudium, mal mehr zum Medizinstudium.
Prozessarbeit
Ich fordere Frau K.s Repräsentantin auf, sich einmal probeweise ganz mit ihrem Körper und ihrem Blick dem Medizinstudium zuzuwenden. Als sie das tut, bekommt sie eine leichte Beklemmung im Bauch und ein Schuldgefühl steigt in ihr hoch. Sie äußert, dass es sich anfühlt, als würde sie das Designstudium dann im Stich lassen. Genauso ergeht es ihr anschließend mit der anderen Alternative.
Es wird sichtbar, dass sie in einer Art Loyalitätskonflikt gefangen ist. Aufgrund der Informationen über die Herkunftsfamilie, möchte ich die Vermutung testen, ob dieser Konflikt mit der Trennungsgeschichte der Eltern zu tun hat. Deshalb frage ich Frau K., ob sie Vater und Mutter den beiden Alternativen zuordnen könne. Sofort nickt sie und sagt ohne zu zögern das Medizinstudium stehe für ihren Vater, das Designstudium für ihre Mutter, die schließlich Kunstlehrerin gewesen sei und eigentlich Malerin werden wollte.
In dem Moment, in dem sie dies erzählt, verändert sich etwas in der Aufstellung und der Atmosphäre im Raum. Die Repräsentanten für die beiden Entscheidungen werden wacher und blicken nun erstmals nicht nur stumm und erwartend die Repräsentantin von Frau K. an, sondern tauschen auch erste Blicke untereinander aus. Man kann dies als Ebenenwechsel interpretieren und ich folge diesem Wechsel von der Ebene der Entscheidungsaufstellung zu einer Familienaufstellung. Damit geht auch einher, dass wir es nun mit einem Bild aus einer anderen Zeit zu tun haben, als die Klientin noch eine Jugendliche war, die zwischen den Eltern (innerlich) hin und her pendelte.
Im nächsten Schritt bitte ich die Repräsentantin von Frau K., zwei Schritte zurückzutreten, so dass sie ihre Eltern die da getrennt vor ihr stehen, besser gemeinsam im Blick hat. Die Repräsentantin ist erleichtert über diese Umstellung und sagt: „Ja, das da ist mein Konflikt!“, während sie auf die sich gegenüberstehenden Eltern zeigt.
Währenddessen wird Frau K. selbst die vom Außenkreis diese Umstellung beobachtet, traurig. Ich gehe zu ihr und sie erzählt, wie belastend die Zeit der Pendelei war, dass ihre Eltern sich damals oft um sie gestritten hätten, Übergabetermine, verschiedene Ansichten in der Erziehung, etc.
Ich frage Frau K., ob Sie selbst in die Aufstellung hineingehen möchte, und die weiteren Schritte zu einer Lösung gehen will und sie bejaht. In der Position kommen ihr zunächst noch einmal Tränen, dann kommt auch Wut in ihr hoch und sie reguliert diese Gefühle selbst, indem sie noch einen kleinen Schritt zurück geht, um mehr Abstand und Überblick zu haben. Dann schlage ich ihr folgende Lösungssätze vor. Zunächst lasse ich sie noch einmal ihr damaliges emotionales Erleben aussprechen:
„Das da, war mein innerer Konflikt.“ Und sie nickt bei diesen Worten.
Dann schlage ich ihr die Worte vor: „Ich lasse den Konflikt bei euch. Das da ist euer Konflikt. Ich bin nur eure Tochter, eure gemeinsame Tochter.“
Diese Worte erleichtern die Klientin sichtbar, sie atmet aus und richtetet sich gerader auf. Um diese Lösung noch zu verstärken, gehe ich kurz zu den Eltern, die jetzt liebevoll auf ihre Tochter schauen und frage nach, wie die Worte bei ihnen ankommen. Sie bestätigen beide, dass sie stimmig sind: „Ja, das war unser Konflikt, nicht ihrer.“ Um dies im Gefühl der Tochter zu verankern, lasse ich beide Eltern einzeln zu ihrer Tochter sagen: „Das war unser Konflikt. Du bist nur unsere Tochter!“ Dies erleichtert Frau K. noch mehr. Sie strahlt und nickt. Dann lasse ich sie noch „Danke!“, sagen, um ihre Anerkennung für die Eltern auszudrücken und eine Versöhnung mit ihnen und der Trennungsgeschichte anzustoßen.
Lösungsbild
Zum Abschluss lasse ich Frau K. sich umdrehen und bitte die Repräsentanten der Eltern, sich rechts und links hinter sie zu stellen und ihr je eine Hand auf die Schulter zu legen. So spürt sie ihre Eltern als Ressourcen in ihrem Rücken und ist auf ihre Zukunft ausgerichtet. Außerdem stelle ich ihr noch einen neuen Repräsentanten für „eine gute Berufsentscheidung“ in ca. drei Metern Abstand gegenüber.
Frau K. berichtet, dass sie sich in dieser veränderten Position von ihren Eltern gemeinsam unterstützt fühlt und freudig erregt in Richtung Zukunft auf „eine gute Berufsentscheidung“ schaut. Innerlich fühlt sich sich nicht mehr zerrissen, sondern ruhig und kraftvoll. Jetzt frage ich Frau K. noch, ob sie bereit ist, drei Schritte in Richtung Zukunft hin zu „eine gute Berufsentscheidung“ zu gehen. Sie nickt, geht erst zögerlich, dann festen Schrittes zur Repräsentantin der Berufsentscheidung und nimmt deren Hände in ihre. Hier beende ich die Aufstellung.
Nachgespräch
Im kurzen Nachgespräch äußert Frau K. die Idee, sie könne ja vielleicht auch beides, Medizin und Design irgendwie verbinden. Kunsttherapie oder Design für medizinische Geräte? Sie will sich noch einmal genauer Informieren, was es so alles in diesen Bereichen gibt.