Die Tanne und das Apfelbäumchen

Schon einen ganzen Tag hat der große Samurai in der Schlange gestanden, um eine Audienz beim Zen-Meister zu bekommen. Als er am Abend schließlich an die Reihe kommt, spricht er zum Meister:

„Eigentlich hatte ich eine ganz andere Frage, aber jetzt habe ich dich den ganzen Tag beobachtet und ich frage mich, wieso ich mir dabei so klein vorkomme.“

Da zeigt der Zen-Meister in die Landschaft:

„Siehst du da im Palastgarten diese hohe, große Tanne – ein mächtiger Baum! Und daneben, ganz klein, ein Apfelbäumchen. Meinst du die Tanne hat sich schon einmal nur gefragt, wieso sie nicht so herrliche, süße Früchte trägt, wie das Bäumchen? Und hat der Apfelbaum sich wohl schon einmal nur gefragt, wieso er nicht so hoch ist und weit in die Landschaft schauen kann, wie die mächtige Tanne?

„Kunststück!“, antwortete der Samurai, der einer der besten Krieger des Landes war.

„Bäume können ja auch nicht vergleichen!“

„Aha! Ich sehe, du beginnst zu begreifen!“, antwortete der Zen-Meister lächelnd.

 


 

Vergleiche machen häufig klein und führen zu Neid und einem schlechtem Gefühl, weil wir uns meist automatisch mit jemandem vergleichen, der mehr hat oder im Vergleichspunkt besser ist als wir. Selten vergleichen wir uns mit jemandem, der weniger hat oder schlechter ist als wir. Wenn wir dies aber tun, erkennen wir, wie gut es uns geht und sind dankbar für das, was wir haben, können und sind.

 

Diese Geschichte und viel mehr verdanke ich Heinrich Breuer, Köln.
Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de

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