Wie kann Aufstellungsarbeit bei der Versöhnung mit dem Inneren Kind helfen?

Was ist das „Innere Kind“?

In jedem Erwachsenen steckt ein „Inneres Kind“. Dieser Begriff steht für die gespeicherten Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen aus der eigenen Kindheit. Dazu gehört das ganze Spektrum an intensiven Gefühlen – von ausgelassener Freude bis zu tiefstem Schmerz, von Neugierde, Angst, Ohnmacht, Verlassenheit und Wut bis hin zu höchstem Glück und Verbundenheit.

Doch nicht immer konnten wir als Kind frei und spontan unsere Gefühle leben und ausdrücken. Das wäre nur mit perfekten Eltern in einer idealen Familie und Gesellschaft möglich gewesen.

Kinder stützen das Familiensystem

Als Kinder mussten wir uns alle mehr oder weniger in unserem Erleben, unseren Bedürfnissen und freiem Ausdruck zurücknehmen. Das taten wir, damit unser Familiensystem stabil blieb und wir physisch und emotional sicher und geschützt waren.

Kinder sind sehr feinfühlig dafür, was ihre Eltern und ihre Familie brauchen. In der Aufstellungsarbeit sagt man, dass sie aus „blinder Liebe“ und „Dienst für ihr System“ für andere etwas tragen und auf Eigenes verzichten.

So entwickelten wir als Kind unsere individuellen Überlebensstrategien. Wir passen uns optimal an unser Familiensystem und deren besondere Umstände an. Wir spielten darin eine besondere Rolle und erwarben dadurch auch besondere Kompetenzen. Aber das alles hatte auch einen hohen Preis für uns: Wir verzichteten auf einen Teil unserer Lebendigkeit, Vitalität und Leichtigkeit.

Und wir entwickelten bestimmte Reaktionsmuster auf typische Abläufe im Familiensystem, unsere Überlebensstrategien. Diese passten vielleicht optimal für unser Familiensystem, aber nicht mehr für die Systeme – Partnerschaft, Wahlfamilie, Beruf – in denen wir uns heute bewegen.

Wieso wir Überlebensstrategien entwickelten

Welche Umständ in Familien führen dazu, dass wir uns als Kind anpassen? Hier findest du eine Auswahl an möglichen Situationen. Was waren bei dir prägende Familienumstände und zu welchen Anpassungen haben diese bei dir geführt?

Mein Vater hat wenig über Gefühle gesprochen. So habe ich selbst nicht gelernt, wie man sich als Mann emotional ausdrückt.

In der Ehe meiner Eltern gab es so viele Probleme, dass ich Konflikte heute kaum aushalten kann.

Mein Vater war Alkoholiker und im Rausch gewalttätig. Ich habe mich sehr kontrolliert und immer Angst, was passiert, wenn ich meine Wut einfach mal loslasse. So nehme ich auch heute noch kaum am Leben teil, sondern schaue wie durch eine Glasscheibe auf mein Leben.

Mein Bruder hatte stark ADHS und hat durch seine Ungeduld und Unruhe immer die ganze Sorge und Aufmerksamkeit meiner Eltern beansprucht. So habe ich gelernt, mich unauffällig im Hintergrund zu halten, um meine Eltern nicht noch mehr zu belasten.

Mein Vater hat sich immer einen Sohn gewünscht, deshalb habe ich als Mädchen immer mit den Jungs gespielt und Puppen und Kleider abgelehnt. Heute habe ich eine Sehnsucht nach mehr Weiblichkeit, aber es fällt mir nicht leicht, diese zu leben.

Meine alleinerziehende Mutter hat immer mehrere Jobs gehabt und nie Zeit gehabt, mit uns zu albern oder zu spielen. Heute fällt es mir selbst schwer, abzuschalten und zu entspannen. Ich werde dann unruhig und bekomme sofort ein schlechtes Gewissen.

Die Arbeit mit dem Inneren Kind in Aufstellungen

In der Arbeit mit dem Inneren Kind nutzen wir bewusst eine therapeutische Ich-Spaltung, in ein beobachtendes, reflektierendes Erwachsenen-Ich und ein ganz im Erleben aufgehendes „Innere Kind“. Dies sind Seiten, Anteile oder Perspektiven von uns, mit denen wir uns verbinden können.

Diesen beiden Seiten entsprechen auch die zwei grundlegenden Perspektiven in der Aufstellungsarbeit: Zum einen der Außenperspektiv im Außenkreis, aus der wir das eigene in der Aufstellung aufgestellte System von außen beobachten. Und zu anderen der Innenperspektive, in der Aufstellung, bei der wir emotional verbunden eine Seite von uns, hier das Innere Kind, erleben bzw. seine Perspektive einnehmen.

Die Versöhnung mit dem Inneren Kind

Die Versöhnung mit deinem Inneren Kind vollzieht sich, indem du in einer Aufstellung mit deinem Inneren Kind beide Perspektiven nacheinander selbst einnimmst. Dadurch wächst in dir mehr Verständnis und Empathie für dein inneres Kind. Und auch dein Inneres Kind erfährt, dass du als Erwachsener es an die Hand nehmen kannst und liebevoll für es da sein kannst.

Damit gehst du in die Selbstverantwortung: All das, was in deiner Herkunftsfamilie aus deiner Sicht nicht optimal für dich gelaufen ist, ist jetzt deine Aufgabe. Du bist jetzt Vater und Mutter für dich bzw. dein Inneres Kind.

Neue Beziehungen fordern inneres Wachstum heraus

Die in deiner Kindheit entwickelten Überlebensstrategien waren optimal angepasst an die Umstände deines Herkunftssystems. Heute aber lebst du in anderen Beziehungssystemen, in denen diese Überlebensstrategien meist nicht mehr funktional und hilfreich sind.

Dies kann zu Konflikten, Stress, Grenzverletzungen, Burn-Out, Erfolglosigkeit und Frust führen. Außerdem schränkst du damit die Vielfalt in deinem Erleben und Verhalten drastisch ein. Du blockierst dich selbst und stehst nicht angemessen für dich und deine Bedürfnisse ein.

Solche Krisen bieten aber auch die Chance, deine einschränkenden Überlebensstrategien zu erkennen und die Beziehung zu deinem Inneren Kind für dein Erwachsenenleben angemessener zu gestalten. Dabei kann eine Aufstellung, optimaler Weise in Kombination mit einer begleitenden Beratung helfen.

Was genau leistet eine Aufstellung in der Arbeit mit dem inneren Kind?

Eine Aufstellung mit deinem Inneren Kind hilft dir, in eine gute Verbindung mit diesem zu kommen. Im Einzelnen …

  • erkennst du deine typischen Überlebensstrategien / Muster,
  • verstehst du dein Inneres Kind und entwickelst Empathie für es,
  • erprobst neue alternative Handlungsmuster oder Strategien,
  • versöhnst dich mit deinem inneren Kind,
  • nimmst es als Erwachsener schützend an die Hand,
  • lernst dich besser abzugrenzen und andere in ihrer Selbstverantwortung zu lassen.

Wie kannst du selbst mit dem Inneren Kind arbeiten?

Du kannst erste Schritte zur Aussöhnung mit deinem inneren Kind auch in Eigenregie gehen. Optimal ist sogar eine Kombination von professioneller Begleitung und eigener Beziehungspflege.

Denn dein Inneres Kind baut erst mit der Zeit das Vertrauen zu deinem erwachsenen Anteil auf, dass es dort geborgen und sicher ist. Dafür braucht es viele neue, bestärkende Beziehungserfahrungen.

Hier findest du einige Anregungen zur Arbeit mit dem Inneren Kind. Bei Ihnen geht es allgemein darum, Zugang und Kontakt zu deinem Inneren Kind herzustellen und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen:

  • Führe ein Tagebuch, in dem du in einen Dialog mit deinem Inneren Kind gehst und es nach seinen Wünschen, Emotionen und Bedürfnissen fragst. Vergiss nicht, dich dann auch angemessen für diese einzusetzen.
  • Verabrede dich regelmäßig in der Woche zu einer Eigenzeit mit deinem Inneren Kind, z.B. zu einem Spaziergang oder etwas, was deinem Inneren Kind gut tut.
  • Spiele mit deinen Kindern. Im kindlichen Spiel mit ihnen kommst auch du wieder mehr in Kontakt mit deinem inneren Kind.
  • Mache etwas, was du in deiner Kindheit gern gemacht hast. Auch so kommst du in Kontakt mit deinem Inneren Kind.

Gern unterstützen wir dich natürlich mit einer Aufstellung und einem begleitenden Beratungsprozess bei deiner Entwicklung und Versöhnung mit deinem Inneren Kind.

Schau einfach bei einer Aufstellung vorbei. Wir freuen uns auf dich!