Paaraufstellungen- Wie systemische Aufstellungsarbeit Paarbeziehungen klären hilft

Eine Beziehung besteht nie nur aus zwei Menschen – oft wirken unsichtbare Dynamiken aus der Vergangenheit mit hinein. Alte Muster, unbewusste Erwartungen oder Familienprägungen können in Partnerschaften für wiederkehrende Konflikte sorgen. Die systemische Aufstellungsarbeit bietet hier eine spannende Möglichkeit, diese verborgenen Einflüsse sichtbar zu machen und neue Lösungswege zu finden.

Wie Herkunftssysteme in die Paarbeziehung hineinwirken

Jeder Mensch bringt Prägungen aus seiner Familie mit – sei es durch das Verhalten der Eltern, emotionale Erlebnisse oder ungelöste Konflikte aus der Kindheit. Viele dieser Muster sind unbewusst und beeinflussen unsere Beziehungen, ohne dass wir es merken.

Häufig zeigen sich in Paaraufstellungen Dynamiken wie:

  • Übernommene Rollen: Ein Partner übernimmt unbewusst die Verhaltensweisen der Eltern (z. B. autoritäres Verhalten des Vaters oder übermäßige Fürsorglichkeit der Mutter).
  • Erwartungen aus der Kindheit: Der Wunsch, dass der Partner einen Mangel aus der Vergangenheit ausgleicht (z. B. fehlende emotionale Wärme oder Schutz).
  • Ungesunde Beziehungsmuster: Ein Partner übernimmt immer die dominante oder unterlegene Rolle, ohne dass eine gleichwertige Partnerschaft entsteht.

Diese Muster sind oft tief verwurzelt und wiederholen sich unbewusst – sowohl in bestehenden Beziehungen als auch in nachfolgenden Partnerschaften.

Wenn Muster aufeinandertreffen: Die Dynamik der Kollusion

In vielen Beziehungen verstärken sich unbewusste Muster gegenseitig – man spricht dann von Kollusion. Dabei ziehen sich Paare unbewusst genau wegen ihrer „passenden“ Muster an:

  • Eine Person mit einem starken Bedürfnis nach Sicherheit wählt einen dominanten Partner, der klare Strukturen vorgibt.
  • Jemand mit einem starken Bedürfnis nach Anerkennung zieht eine Person an, die gerne Bestätigung gibt.
  • Ein Partner, der als Kind viel Verantwortung übernehmen musste, findet sich in einer Beziehung wieder, in der er sich um alles kümmern „muss“.

Am Anfang kann dies stimmig erscheinen, doch mit der Zeit entsteht oft ein Ungleichgewicht. Eine Person gibt immer mehr, während die andere sich in eine passive Rolle zurückzieht – und es kommt zu Frustration oder Konflikten.

Eine Paaraufstellung kann diese Muster bewusst machen und helfen, neue Wege für die Beziehung zu finden.

Wie funktioniert eine Paaraufstellung?

Eine große Stärke der systemischen Aufstellungsarbeit ist, dass man nicht zwingend mit beiden Partnern arbeiten muss. Auch eine einzelne Person kann eine Aufstellung machen und dabei Stellvertreter für sich selbst und den Partner wählen.

Ablauf einer Paaraufstellung:

  1. Die beiden Partner (oder Stellvertreter) werden sich gegenübergestellt.
  2. Die Körperhaltung, Blickrichtung und Emotionen werden beobachtet.
  3. Die Beraterin oder der Berater stellt gezielte Fragen:
    • „Wie fühlt es sich an, dem Partner gegenüberzustehen?“
    • „Gibt es körperliche Empfindungen, Spannungen oder Unwohlsein?“
  4. Falls nötig, werden weitere Stellvertreter aufgestellt – zum Beispiel für frühere Partner, Eltern oder belastende Erlebnisse.
  5. Durch gezielte Interventionen (z. B. veränderte Positionierung, Symbolobjekte oder Lösungssätze) können neue Perspektiven entstehen.

Kontextüberlagerungen: Wenn alte Beziehungen in die Gegenwart wirken

Oft zeigen Aufstellungen, dass ein Partner nicht nur auf den anderen reagiert, sondern auf eine frühere Erfahrung in seinem Leben.

Ein Beispiel:
Eine Frau fühlt sich von ihrem Partner oft „kritisiert und abgewertet“. In der Aufstellung zeigt sich jedoch, dass ihr Gefühl nicht nur von ihrem aktuellen Partner kommt – sondern dass sie bereits als Kind von ihrem Vater stark kritisiert wurde.

Durch diese Erkenntnis kann sie ihre Reaktion differenzieren: „Mein Partner ist nicht mein Vater – ich sehe, dass ich hier alte Gefühle hineinprojiziere.“

Das Bewusstwerden solcher „Kontextüberlagerungen“ ist oft ein entscheidender Schritt zur Lösung.

Die Exklusivität der Paarbeziehung schützen

Eine Partnerschaft ist ein exklusives System, das von äußeren Einflüssen geschützt werden muss. Doch oft wirken Dritte hinein – bewusst oder unbewusst.

Dritte in der Beziehung können sein:

  • Ex-Partner: Unverarbeitete Liebesbeziehungen oder vergangene Verletzungen.
  • Schwiegereltern: Übergriffige oder kontrollierende Eltern, die Einfluss auf die Beziehung nehmen.
  • Kinder: Wenn die Elternrolle die Paarbeziehung völlig verdrängt.
  • Arbeit und Stress: Wenn berufliche Themen mit ins Privatleben genommen werden.

In der Aufstellung kann sichtbar werden, welche Störfaktoren in das Paarsystem hineinwirken und wie diese bewusst gelöst oder ausgegrenzt werden können.

Paarbeziehung vs. Elternrolle: Wie lassen sich beide Systeme in Balance halten?

Besonders herausfordernd wird es, wenn aus einem Paar Eltern werden. Denn dann entsteht neben der Paarbeziehung ein neues System: das Elternsystem.

Die Herausforderung:

  • Die Elternrolle nimmt oft so viel Raum ein, dass die Paarbeziehung vernachlässigt wird.
  • Partner reden nur noch über Kinder oder Alltagsorganisation, nicht mehr über sich als Liebespaar.
  • Intimität und Zeit für Zweisamkeit gehen verloren.

Wichtig: Die Paarbeziehung muss aktiv gepflegt werden, denn sie gibt die Energie für das Elternsein.

Lösungsansätze: Wie kann man die Beziehung stärken?

Hier einige zentrale Empfehlungen für Paare:

  • Bewusste Paarzeit einplanen: Einmal pro Woche ein „Date“ nur als Paar – ohne Kinder, Arbeit oder andere Ablenkungen.
  • Kommunikation auf Augenhöhe: Nicht nur über Alltagsthemen sprechen, sondern bewusst Raum für persönliche Gespräche schaffen.
  • Exklusivität bewahren: Keine Arbeit oder Konflikte mit Dritten mit ins Bett nehmen – die Paarbeziehung verdient ihren geschützten Raum.
  • Gemeinsame Rituale schaffen: Z. B. ein gemeinsamer Spaziergang am Abend, ein wöchentlicher Kinoabend oder regelmäßige körperliche Nähe.

Eine Übung zur Stärkung der Paarbeziehung

Eine einfache, aber kraftvolle Übung aus der Aufstellungsarbeit:

  1. Die Partner stellen sich gegenüber und halten Blickkontakt.
  2. Jeder spricht laut aus:
    „Ich danke dir für das Gute in unserer Beziehung.“
    „Ich nehme das Positive mit und lasse Vergangenes los.“
  3. Als Symbol überreicht jeder dem anderen ein kleines Geschenk
    – eine Blume, einen Stein oder eine persönliche Geste.

Diese Übung hilft, Wertschätzung zu stärken und den Fokus auf das Verbindende zu legen.

Fazit: Warum Paaraufstellungen eine wertvolle Methode sind

Paaraufstellungen machen sichtbar, was unter der Oberfläche einer Beziehung wirkt – seien es alte Muster, Überlagerungen oder externe Störungen. Durch die systemische Perspektive können Paare neue Wege finden, ihre Beziehung bewusster zu gestalten, Konflikte zu lösen und Nähe zu vertiefen.

Denn: Eine erfüllte Partnerschaft ist nicht nur Glückssache – sie ist auch eine bewusste Entscheidung für Klarheit, Offenheit und gegenseitiges Wachstum.

>> Ausführlicher behandeln wir dieses Thema und Ansätze dazu in unserer Weiterbildung in der
Folge 3 unseres Podcast „Lösungsbilder“ (in allen gängigen Podcast-Plattformen).

(Quelle: Bild: Generiert mit DALL·E. am 3.2.2025 für Jan Prisor)